An Pfingsten waren wir unterwegs und sind dabei auch an Marienstatt vorbeigekommen, einem Kloster in unserer Nähe. Es war Pfingstmontag und der Nachmittagsgottesdienst war gerade zu Ende gegangen, als wir ankamen. Die Menschen kamen aus der Kirche und wir gingen hinein. Der Kirchenraum war hoch und hell. Säulen aus rotem Standstein, gotisches Gewölbe. Der Duft von Weihrauch hing noch in der Luft. Mönche in ihrem weißen Habit sprachen vereinzelt mit Besuchern, andere bereiteten den Chorraum für das Abendgebet vor und wieder andere huschten einfach aus der Kirche zurück in die Klausur. An der Orgel saß ein Mönch und genoss es hörbar, die Menschen aus dem Gottesdienst zu verabschieden. Er spielte noch eine ganze Weile weiter, auch, als die meisten bereits gegangen waren. Der Duft, die Ästhetik des Raumes, die Mönche in ihrem feierlichen Weiß und die Musik machten den Augenblick zu einer Erfahrung des Heiligen.
Als die Musik zu Ende war, verließen wir die Kirche. Wenn man durch das Portal ein paar Stufen nach oben geht, steht man in einer Allee. Rechts davon sind die Klostergebäude und links des Weges wird ein großer Garten von einer niedrigen Mauer eingezäunt. Durch zwei schmiedeeiserne Tore kann man ihn betreten. Der Weg führt zu einem Rondell in der Mitte, in dem ein Brunnen plätschert. Der Garten ist so lang wie die Allee und schließt am oberen Ende mit einem großen Kräutergarten ab. An diesem Tag war schönes Wetter und einige Menschen genossen den Garten, machten Bilder, ruhten sich auf Bänken aus oder pflückten sich ein paar Blätter von Kräutern, um daran zu riechen. Verlässt man den Garten durch das obere Tor, steht man am Ende der Allee. Hier schließt sich ein Torhaus an, durch das man das eigentliche Klostergelände verlässt. Geht man hindurch, so befindet sich rechts noch einmal ein gepflasterter Platz, in dessen Mitte große Bäume stehen. Danach kommt ein weiteres großes, weißes Haus – die Brauerei des Klosters mit einem Biergarten. Diesen erreicht man, wenn man am Ende des Hauses über die Treppen nach oben steigt, auf die Terrasse der Brauerei. Unter drei Reihen niedriger Bäume stehen viele Bänke und Tische, an denen man auch bei großer Hitze im Schatten sitzen kann. Die Blätter bilden ein großes, grünes Zelt. An diesem Feiertag waren viele Motorrad- und Fahrradfahrer unterwegs und der Biergarten gut gefüllt. Die Menschen waren in Feiertagslaune. Die Stimmung gelöst, Gespräche und Gelächter lag in der Luft. An diesem Ort kommen Alte und Junge zusammen. Hier sitzt man generationsübergreifend. Das Bier ist besonders, es entspricht dem Ort und der Schönheit des Klosters.
Für mich ist Marienstatt ein Symbol geworden für die missionarische Gemeinschaft. Eine Missionarische Gemeinschaft ist wie ein Kloster. Sie besteht aus der Klausur, dem innersten Zirkel. Hier leben die Mitglieder ihren Glauben. Hier beten sie gemeinsam Gott ihren Vater, Jesus die Liebe und das Feuer des Heiligen Geistes an. Hier gehört man verbindlich zusammen, achtet aufeinander, hat Zeit füreinander, trägt einander, lacht miteinander, glaubt miteinander. Hier lebt die gemeinsame „Story“. Hier wird sie in der Gegenwart Gottes geteilt, erneuert und lebendig gehalten. Dies ist eine zentrale Aufgabe der Leitung. Wenn Hybels die Pflege des eigenen geistlichen Lebens und der eigenen Person des Leiters zu dessen wichtigster Aufgabe erklärt, der er 50% seiner Zeit widmen sollte , kann man sagen, dass die missionarische Gemeinschaft die Hälfte ihrer Aufmerksamkeit dem gemeinsamem Leben in der „Klausur“ widmen sollte. Wenn hier nicht das Feuer der Begeisterung und Leidenschaft brennt, wenn man keine Sehnsucht hat, miteinander zu beten, weil es als etwas Schönes erlebt wird, dann wird der missionarische Lebensstil lediglich zu einer Aufgabe und hört auf, Sendung zu sein.
Der Klausur schließt sich die Kirche an und in vielen Klöstern, die verlassen sind, ist auch der Kreuzgang zu besichtigen. Besonders eindrücklich ist für mich dabei der Kreuzgang der Stiftskirche in Middelburg. Schon das Betreten des großen Kirchenraums führt einen in eine andere Welt, aber spätestens im Kreuzgang, in dessen Mitte ein blühender Garten mit viel Grün und hohen Pflanzen ist, vergisst man, wo man ist – in einer Stadt. Man ist eingetaucht in eine andere Welt. Die Zeit vergeht hier anders, was eben wichtig war, bleibt hier draußen. Kirche und Kreuzgang sind das geistliche Leben der missionarischen Gemeinschaft, das für andere sichtbar und einladend ist. Menschen können eintreten und daran teilhaben oder einfach nur das ganz andere wahrnehmen. Dies kann durch dezidiert christliche Angebote geschehen, in denen Besucher das Feuer des Glaubens der Gemeinschaft erfahren und bestaunen können. Dies geschieht aber auch immer dort, wo Mitarbeiter der Gemeinschaft anderen dienen und miteinander auf eine Art und Weise umgehen, die dem Evangelium entspricht und den Menschen zeigt, dass hier die Gesetze Jesu gelten und nicht die Gesetze der Welt. Dabei sollte die Gemeinschaft lieber weniger machen und dabei auf die richtige Haltung achten.
Ein Kloster lebt auch aus der Ästhetik der Architektur. Es ist ein anderer Ort, weil es ein Ort der Kunst ist, weil Schönheit eine wichtige Rolle spielt, weil ein Kloster nicht zuerst ein praktischer, sondern ein schöner Ort ist, der das neue Jerusalem, die neue Weltordnung, die angebrochene Herrschaft der Liebe auch in seiner Form spiegelt. Auf diese Weise muss auch die missionarische Gemeinschaft vor allem eines sein: Schön. Dies zeigt sich auf unterschiedliche Weise. An der Ästhetik der Gottesdienste, die Wert legt auf die Musik, vielleicht auch auf die Sprache. Es zeigt sich aber vor allem an der Schönheit der Liebe untereinander und zu den Menschen, denen man begegnet. Wenn der Sohn in die Gemeinschaft mit dem Vater aufgenommen wird und alle sich mitfreuen, wenn die Frau am Brunnen und Levi der Zöllner ihre Freundinnen und Freunde holen und alle in der Gemeinschaft des Kloster essen und trinken, wenn alle ihre Steine fallen lassen, weil sich keiner getraut, den ersten zu werfen, dann wird die missionarische Gemeinschaft zu einem Ort der Schönheit Jesu.
Was mich an diesem Pfingsttag im Kloster Marienstatt am meisten beeindruckt hat, waren die verschiedenen Angebote, die das Kloster, die Gemeinschaft der Mönche, dem Besucher macht. Der Gottesdienst, der Garten, das Bier, das alles passt zusammen. Keines davon scheint fehl am Platz, das Feiern der Liebe Gottes, der Schönheit, der Schöpfung und der Gemeinschaft und Freundschaft. Jeder kann wählen, was für ihn jetzt gerade das Richtige ist. Wer einmal mit einem Mönch Bier getrunken hat, wer auf diese Weise Freundschaft mit ihm geschlossen hat, der wird vielleicht eines Tages auch ein Besucher der Kirche und ein Freund Gottes. Und wenn nicht, dann lobt er das Bier der Mönche oder die Schönheit des Gartens. So steht das Kloster bei dem „ganzen Volk in hohem Ansehen“ (Apg 2, 47). Eine missionarische Gemeinschaft hat die Aufgabe, Orte zu schaffen, die es Menschen erlauben, auszuruhen und das Gute zu genießen. Jesus ist ein Menschenfreund, ein „Fresser und Weinsäufer“ (Mt 11, 19), einer, der Feste feiert. Eine missionarische Gemeinschaft muss ein Ort des Festes sein, des Festes als Auszeit aus dem Alltag. Sie bringt Menschen zusammen und teilt mit ihnen ihre Interessen. Lässt sie in Pflanzen und Bier erleben, wie freundlich der Herr ist und lädt ein, ihm zu vertrauen (Ps 34,9). Und wo ein Mensch nicht mehr will, als ein Bier und im Garten zu Ruhe zu kommen, da freut sich die Gemeinschaft, dass sie einem Menschen diese Zeit und diese Erfahrung geben konnte. Sie freut sich über die Schönheit der Begegnung. Die Tür zur Kirche steht offen, aber eintreten wird nur, wen der Vater zieht (Joh 6,44).