Jetzt sitze ich hier in diesem Gottesdienst und soll dankbar sein – denn so lautet das Thema. Aber kann ich das, oder vielmehr, will ich es überhaupt? Was ist, wenn mir gerade nicht zum Danken zumute ist? Wenn ich viel lieber in einem Gottesdienst sitzen würde, dessen Thema lautet: Schüttet Euer Herz vor Gott aus, der unsere Klage hört?
Aber, – so habe ich gelernt, „Seid dankbar in allen Dingen“ (1 Thes 5,18).
Dankbar soll ich sein, sagt Paulus, einfach so. Das sei, so schreibt er, der Wille Gottes. Ich kann mich jetzt bemühen, kann versuchen, meine eigentlichen Gefühle vor der Eingangstüre zu lassen. Meine Traurigkeit, meine Verzweiflung, meine Schuldgefühle, meine vielen Fragen an Gott, meine Wut oder meine Gleichgültigkeit. Ich kann versuchen, so zu tun, als sei ich innerlich ganz aufgeräumt, auch wenn in Wahrheit am besten gerade keiner mein Herz besuchen kommt. Ich könnte ihn gar nicht reinlassen.
Ich erinnere mich an viele Gespräche, in denen Christen ihr Herz ausschütten, ein Augenblick der Wahrheit – ein heiliger Moment. Doch sie beschließen ihn mit dem Satz: „Aber ich muss ja doch dankbar sein.“ Das klingt hohl und wenig überzeugend, gezwungen und wenig glücklich. Das klingt so, wie wenn man sagt: Noch mal Glück gehabt! Alles halb so schlimm! Das wird schon wieder!
„Seid dankbar in allen Dingen“, höre ich und frage mich, darf ich nicht ehrlich sein? Gilt es, dankbar zu sein, so wie man seine Steuern bezahlt oder die Straßenverkehrsordnung beachtet? Bin ich dankbar, damit ich keine Fehler mache, nur weil es von mir erwartet wird?
Ich möchte dankbar sein. Ich möchte wirklich wieder einmal vor Freude und Glück platzen. Ich möchte voller Leidenschaft ein Lied zum Himmeln schmettern. Aber wie mache ich das, wenn ich scheinbar nicht kann?
Es muss anders gehen! Es muss einen Weg geben, einen Weg der Dankbarkeit, einen Weg zum Herzen Gottes. Einen Weg, auf dem ich mich nicht verbiegen muss, wo ich nichts verschweigen muss, wo ich kommen kann, wie ich bin. Einen Weg, auf dem Gott mich ansteckt mit Lachen und Loben. Einen ehrlichen Weg, der zur Dankbarkeit führt. Einer Dankbarkeit, die mich verändert, die in meinem Herzen die Fenster öffnet und frische Luft hineinlässt. Das wünsche ich mir und das brauche ich.

